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Fenster

Unter der Herz-Jesu Kirche, Zülpicher Platz, Köln, 1997

Fensterinstallation erleuchtet in dunklem Kellergewölbe, dem gegenüber Spiegel

Fenster 60 x 40 cm, Spiegel 30 x 15 cm, Autostableuchte (8 Watt)

Licht im Fensterkreuz

Elektrisches Licht war in der Kunst zunächst ein Signal des Technischen, Zeichen blitzender, jagender Modernität. Die Linie von den Futuristen bis hoch in die 60er Jahre. Gleichzeitig konnte Licht aber auch langsam gleitende Aufhellung sein: ein Ausdruck von Ruhe und Kontemplation. Das Beispiel der kalifornischen Lichtkünstler von James Turrell bis zu Maria Nordman. Seine Entsprechung fand dieses Licht immer noch in Naturphänomenen, in Blitzgewittern oder im Wechsel der Tageszeit.

Luzia-Maria Derks entdeckt ein anderes Licht. Nicht das technische Medium, obgleich ihr Licht immer elektrisch ist. Nicht das Naturphänomen, obgleich sie Tag und Nacht einbezieht. Sondern ein Licht, in dem die vertraute Welt des Menschen aufscheint, das Wohnräume und Bewohner wachruft – Fensterlicht. Licht, das an die architektonische Umgebung des Menschen erinnert und so eine humane, fast häusliche Anmutung besitzt. Licht aus Erzählungen, das vor Verirrten, endlich, als fernes Fenster schimmert. Licht, das Geschichten wachruft oder balladesk aufleuchtet. Licht, das nichts illuminiert, sondern selber Emotion und Empfindung ist. Elektrisches Licht, das auf die Illusion des Vertrauten oder Natürlichen zielt und so unsere eigene Erwartung steigert oder erfüllt. Die meisten Arbeiten von Luzia-Maria Derks handeln von diesem Licht. Nur wenige –, wie die „Bohrhammerlampions“ oder die „Kirchenfenster“ aus farbigen Pillenblistern blenden magisch wirkende Phantasmagorien auf. Vor fünf Jahren inszenierte sie in zwei Siedlungshäusern aus den 20er Jahren zwei Fenster als leuchtende Klimazonen: die eine im fahl zuckenden Blau der Fernseher, die andere im warmen, behaglich schimmernden Rot von Stehlampen. Die frühe Arbeit verdichtet bereits das ganze Spektrum. Licht ist emotional, spricht psychisch an und gewinnt auf diese Weise etwas Narratives. Das blaue und das rote Licht lösen Bilder und Stimmungen aus.. Nichts Abstraktes, sondern etwas Atmosphärisches, das an unsere eigene Erfahrung anknüpft und unsere Phantasie in Gang setzt. Dazu genügt oft ein sich im Gegenlicht abzeichnendes Fensterkreuz. Minimale Mittel reichen aus.

Ich erinnere mich an eine Ausstellung in der Kölner Herz-Jesu-Kirche. Sie fand im halb zerfallenen Keller statt. Ein einziger Eingriff setzte das unterirdische Gewinkel ins Licht. Am Ende eines schuttgefüllten Gewölbeganges installierte Luzia-Maria Derks ein Fenster, das rückseitig mit einer Autostableuchte erhellt war. Auf der gegenüberliegenden Seite antwortete ein blass funkelndes Spiegelbild. Nicht nur, dass der Raum komplett verändert wurde – das Licht am Ende des Tunnels wurde zu einem Archetyp von Licht überhaupt, den das Fensterkreuz von einer Grunderfahrung ins Vertraute, Bekannte, zurückholte. Der Münsteraner Bunker mit seinem runden Innenraum von „unbestimmbarem sakralem Charakter“ (Gail Kirkpatrick) bleibt sogar ohne diese Rückführung. Das Licht hinter einer massiven Stütze wirft seinen Schein auf die Wasserlache ringsum: Licht und Wasser verschwimmen zu einem Raum der Meditation, in dem sich Ruhe sammelt und konzentriert. Am Gegenpol zu diesem hermetischen Bild steht ein achteckiger Pavillon. Er besitzt nur sechs Fenster. Die restlichen beiden wurden irgendwann zugemauert. Also projizierte Luzia-Maria Derks Dias der Fenster mit Ausblick auf die blinden Wände. Sie gibt dem Pavillon sein Gleichmaß zurück und bringt ihn in mit unseren Erwartungen überein.

Beides ist ihr wichtig: die psychische Stimulation, die Urerlebnisse mit Licht anregt und die Anknüpfung an eine gewohnte Erscheinung, die das Licht ins Fensterkreuz bannt. Das Licht steigert sein Geheimnis und bewahrt zugleich seine banale Intimität. In ihren besten Stücken erschließt Luzia-Maria Derks dem (elektrischen) Licht so eine Dimension des Humanen, in dem mythische Assoziation und Alltäglichkeit, Ferne und Nähe zusammen fließen.

Prof. Dr. Manfred Schneckenburger

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