Malerfahrungserfahrungsgruppe - Vitusmaler
Redetext zu der Ausstellungseröffnung der Vitusmaler in der Landesvolkshochschule Freckenhorst am Dienstag, den 23.06.2015
Guten Tag sehr verehrte Damen und Herren, liebe Besucher und Besucherinnen, Förderer und Liebhaber der Kunst unserer Vitusmaler.
Es freut mich, dass Sie so zahlreich erschienen sind und sich Zeit nehmen die Ausstellung zu besuchen und in den Austausch darüber zu gehen.
An dieser Stelle möchte ich mich herzlich bedanken, dass den Vitusmalern die Möglichkeit gegeben wird in der Landvolkshochschule ihre Arbeiten zu präsentieren. Insbesondere möchte ich mich bei den Vitusmalern bedanken. Es ist mir stets eine große Freude mich dienstags mit ihnen auf die malerische Entdeckungsreise zu begeben. Desweiteren meinen Dank allen Mitarbeitern des Hauses St. Vitus, die die Arbeit seit Jahren unterstützen und fördern.
In meiner Ansprache möchte ich Ihnen einen kleinen Einblick unserer Dienstagsrunde geben. Dann werde ich jeden der Teilnehmer kurz vorstellen und auf ihre Öffentlichkeit zu sprechen kommen.
Das Haus St. Vitus verfolgt ein Leitbild, welches ich an dieser Stelle erwähnen möchte: „Es sollen die Grundbedürfnisse nach Sicherheit, Schutz und Geborgenheit, nach Bestätigung und Vertrautheit, nach Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung, nach Kontakt und Kommunikation und der Wunsch nach Selbstdarstellung und Sinngebung erfüllt werden.“ (www.Haus-st-vitus.de) Diesem Leitbild schließe ich mich an und unter diesem Aspekt begleite ich seit 2004 dienstags einige Bewohner des Hauses St. Vitus beim Malen. Die Teilnehmer wechselten mit den Jahren. K.T. und S.W. sind seit Anbeginn dabei.
Zunächst fanden die Maleinheiten an Tischen sitzend im Besprechungszimmer und Büroraum des alten Hauses St.Vitus statt. Später mußte der Raum für die Malstunden umgebaut werden und die Teilnehmer konnten nun an Staffeleien malen, die das Format jedoch begrenzten. Darauf folgte, dass Wände aus Pappelholz angebracht wurden, die das Anheften der Blätter und das Malen im Stehen bzw. in aufrechter Haltung ermöglichten. 2010 zogen wir mit der Malgruppe vom alten Haus St. Vitus ins ehemalige HOT, dem jetzigen Haus der Generationen, wo uns ein eigener Raum zur Verfügung gestellt wurde.
Das Malatelier ist ein Schutzraum, wo jeder mit sich allein, abgeschirmt von störenden Einflüssen malt. Dadurch wird der „Übergang vom täglichen Leben zur Konzentration und Kontemplation erleichtert.“ (Egger 1996 b, S. 16)
Ich mache deutlich, dass nicht das Ergebnis wichtig ist, sondern der Prozeß. Es werden von mir keinerlei Bewertungen und Interpretationen vorgenommen. Naja, ich begeistere mich allerdings immer sehr für die entstehenden Bilder. Denn jede/jeder der Malenden wies und weist sich durch ein hohes kreatives Potenzial aus.
Meine Aufgabe besteht in der dienenden Haltung gegenüber den Malenden (das Aufhängen der Blätter, das Versetzen der Reißnägel, das Wegkratzen eines Tropfens, das Reichen einer Trittleiter, um in höheren Bereichen des Bildes zu malen, das Abfüllen der gewählten Farben). Das bedeutet hinsichtlich der Heilpädagogik eine allgemein menschliches Wachstum freisetzende Lern- und Lehrmethode auf dem Weg zur künstlerischen Selbstentfaltung und Selbstverwirklichung.
Der Atelierleiter weist sich durch eine stützende und akzeptierende Haltung aus. Er belehrt nicht, beurteilt nicht und interpretiert nicht. Er dient/bedient: (vgl. Stern 1996, S. 13)
O.H., 1975 in Münster geboren, lebt seit 2008 im Haus St. Vitus in Everswinkel. Der Malstil von H. weist sich durch einen wunderbar zeichenhaften und oftmals virtuosen Farbauftrag aus. Die expressive Malweise kommt durch seine Lieblingsfarbe Rot noch stärker zum Ausdruck. Kraftvolle Schwünge wechseln mit vorsichtigem, sensiblem Abtasten des Malgrundes. Das Malen bietet ihm ein Gegenüber, an dem er seine Handfertigkeit ausagieren kann. Mit Freude erlebt er das Sichtbarwerden seiner Bewegungsaktionen.
S.W., 1973 in Warendorf geboren, lebt seit 1998 im Haus St. Vitus in Everswinkel.Seit Jahren malt W. ein immer wiederkehrendes Sujet, das ihr scheinbar ein großes Bedürfnis ist. Sie beginnt stets im mittleren Bereich des Blattes. Sie malt Kreise oder Ovale, deutet darin Gesichter mit Augen, Mund und Nase an. Um die Kreise bzw. Ovale malt sie wirbelartige Linien. Danach übermalt sie mit ständig neuen überdeckenden Farben die „Gesichter“, dass man von diesen eher nichts oder nur wenig wahrnimmt. Sie lassen an Amöben erinnern. Rund um die zuerst geschaffenen „Gesichter“ lässt sie neue entstehen, übermalt sie aufs neue, wodurch sie mehrschichtige Bilder entwickelt, die sich immer mehr verdichten.
K.T., 1963 in Freckenhorst geboren, lebt seit 1991 im Haus St. Vitus in Everswinkel. T. malt schon lange mit Blei- und Buntstiften, was seinem akkuraten Bedürfnis sehr entgegen kommt, wobei er den Wunsch äußert, das Bild nochmals und dann besser als beim vorherigen Mal zu malen. Aus diesem Grund gibt es unzählige Wiederholungen und Variationen seines Sujets, die er in seinem Zimmer aufbewahrt. Im Atelier malt er seine Erlebnisse und besuchten Orte aus seiner Erinnerung in Acrylfarben. Während des Malens kommuniziert er darüber, was da wohl war, wie das aussah u.s.f.. Seine zum Teil märchenhaft anmutenden Sujets unterliegen einer gewissen Ordnung, die in einer Form von Symmetrie zum Ausdruck kommt. Neuerdings beschäftigt er sich malerisch mit exotischen und heimatfremden Natur- und Tierdarstellungen. So entwickelte er ein Panoramabild zu Afrikas Tierwelt, welches mit einer Länge von ca. 16 Metern noch eine Ausstellungsmöglichkeit sucht.
M.W., 1960 in Ahlen geboren, lebt seit 1985 im Haus St. Vitus. W. malt schon lange vorrangig mit Filzstiften und benutzt diese zusätzlich zu den Acrylfarben, die sie im Atelier für ihre Bilder verwendet. Sie legt ihre Werke oft collagenartig an und nutzt gerne Schablonen und Stempel, die sie ornamentartig einsetzt. Ihre Malweise zeigt eine starke Verdichtung durch Füllung bis zum Überfließen. Dabei sind die Malereien heiter und farbenfroh.
P.S., 1960 in Münster geboren, lebt erst seit 2010 im Haus St. Vitus. S. malt die Hintergründe mit Acrylfarben und baut dann mit Ölpastellkreiden ihre Bilder auf. Dabei sind diese von sehr poetischer Natur. Mit äußerster Konzentration entwickelt sie ihre Häuser- und Gartenansichten, die sie Stück für Stück aufbaut und ineinander verwebt. Dabei entwickelt sie ein gutes Gespür für die Farbigkeit und überläßt es dem Betrachter sich in die „Stadtansichten“ hineinzuträumen.
W.S., 1952 in Beelen geboren, lebt in der Wohngruppe von P.S. und war anfangs unser „Springer“, falls jemand beim Malen ausfällt. S. malt mit Acrylfarben, die er äußert sparsam verwendet. Mit Kraft vertreibt er die Farbe mit dem Pinsel so lange auf dem Blatt bis dieser keine mehr abgibt. Dadurch entstehen stark verdichtete wolkenartige, wattige Strukturen in den Malflächen. Die Bildkompositionen entwickeln sich aus zwei bis drei energetisch aufgeladene, aneinanderstoßende Formenkomplexe, die sich farblich voneinander absetzen und dennoch eine Einheit bilden.
P.B.S., 1985 in Rheda Wiedenbrück geboren, lebt seit 2005 im Haus St. Vitus. Sie kam 2010 zum ersten Mal in die Malgruppe. Nach einer Pause stieg sie erneut 2015 ein. Ihre mit Acrylfarben eher zeichnerisch entwickelten Bilder erzählen von den Menschen, die in ihrem Leben eine wichtige Rolle spielen. Diese werden auch namentlich genannt und unterstreichen die Beziehungskonstrukte. Herz-Symbole, stilisierte Vögel, Wolken, Sonne, Blumen und Strichmännchen bilden die Grundlage ihrer Bildkompositionen.
Ausstellungen
2007 präsentierten sich die damals noch als Malerfahrungsgruppe benannten Vitusmaler zum 25jährigen Jubiläeum vom Haus St. Vitus das erste Mal der Öffentlichkeit mit ihren Arbeiten. Mit einer Petersburger Hängung im Foyer des Hauses wurde ein Querschnitt aller Teilnehmer gezeigt.
Seit 2008 nahmen K.T., O.H. und S.W. mehrfach an den Jahresausstellungen im Kunsthaus Kannen teil. Auch W.S. war im letzten Jahr dabei.
2011 hatte K.T. über einige Monate im Roncali-Haus der Alexianer eine Einzelausstellung.
September 2012 hatten die kreativen Bewohner des Hauses St. Vitus einen Monat die Gelegenheit in einer Ausstellung im Rathaus Everswinkel ihre Werke zu präsentieren. Nahezu zeitgleich erschien auch zum 30jährigen Jubiläum des Wohnheims ein Kalender für 2013 mit den Malereien der Vitusmaler.
September 2013 nahmen die Vitusmaler und weitere kunstbegeisterte Bewohner des Hauses St. Vitus an dem Projekt „mmh ich esse so gerne Schokolade“ teil. Die Arbeiten wurden in der Stadt in Geschäften der Interessengemeinschaft der Selbständigen in Everswinkel ausgestellt.
Inzwischen wurden etliche Bilder an Liebhaber verkauft und auch bei dieser Ausstellung besteht die Möglichkeit des Ankaufs, wozu ich Ihnen dringend raten möchte.
Luzia-Maria Derks