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Katzenaugen

Radstation am Hauptbahnhof, Münster, 2008

Fahrradreflektoren (Fundstücke und Ausschussware)
Hängung mit Spanndraht und Hochseeangelschnur

92 qm

Für die freundliche Unterstützung bei der Realisierung der Installation und des Katalogs bedanke ich mich bei:
Sparda-Bank Münster, Westfälische Bauindustrie, LVM Versicherungen, Kulturamt der Stadt Münster, Busch & Müller, Hotel Kaiserhof Münster

Eine Sendung des Bürgerfunks-Münster, Christine Bertels, 03. Juni 2008.

Im Licht

Kostbar und märchenhaft mutet an, was Luzia-Maria Derks in der Fahrradstation am Hauptbahnhof Münster in die Luft zaubert: Tausende von roten bis orangefarbenen „Katzenaugen" schweben da im Raum, als käme ein farbig-funkelnder Regenschauer vom Himmel, vom Sonnenlicht zum Aufleuchten, zum Strahlen gebracht und wie in einer Momentaufnahme fixiert. Der Gedanke, daß damit der Genius loci – sowohl des Gebäudes im besonderen als auch der Fahrradstadt Münster im allgemeinen – beschworen und aufs schönste ins Bild gesetzt wird, tritt zunächst zurück, da das schillernd-gleißende Ereignis schier überwältigt, ja, förmlich blendet. Wie geschliffene Edelsteine fangen die „Rückstrahler" das einfallende, tageszeitlich changierende Licht ein, brechen es und strahlen es in unendlich vielen Facetten und Nuancen wieder ab; und im Akt des Widerscheinens entmaterialisieren sie sich, sind eher pure „Erscheinung" denn greifbares, stoffliches Faktum. Was üblicherweise funktional gebunden ist – als Reflektoren Räder in der Dunkelheit sichtbar zu markieren –, entfaltet nun, zum Eigenleben befreit, ein Feuerwerk des Lichts, das zwar passiv empfangen, aber um ein Vielfaches intensiviert wieder abgestrahlt wird. In der pointillistischen Verdichtung zur Mitte hin verkörpert das Licht sich gewissermaßen; zu den Rändern hin aber löst die „Wolke" sich auf, verliert jegliche Kontur, verwischt, verschwimmt, verschwindet. Derart entgrenzt, taucht also ein Etwas gleichsam aus dem Nichts auf und löst sich darin auch wieder auf, ungreifbar fast wie eine Fata Morgana. Bedenkt man nun, daß dieser Schwarm von Leuchtpunkten gebildet wurde aus materiell wertlosem Kunststoff-Ausschuß und -Abfall, aufgehängt an dünnen, transparenten Fäden, wird im Prozeß der Verwandlung und Umwertung das romantische Prinzip sinnfällig und bildkräftig, dem Luzia-Maria Derks hier auf so glanzvolle Weise entspricht. Es gelte, so Novalis, die Welt zu poetisieren, und ebendies tut die Künstlerin: Sie beschenkt uns, um in verwandten Bildern zu bleiben, mit einem blühenden Strauß Goldregen oder, wie im Grimmschen Märchen, mit einem wahren Schatz an Sterntalern.

Prof. Timm Ulrichs

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