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Grabeskirche Buldern

2006

  • Madonna mit Kind
    Foto 1982 mit meiner Tochter Marie und mir. Als Print hinter Glas im Holzbogen auf Metallbeinen
    Bei Einwurf einer 50 Cent-Münze von hinten beleuchtet (Weihnachtskette) und 2-minütiger Ablauf einer Spieluhr mit der Melodie Ave-Maria von CD-Player
  • o.T.
    Grabnischen mit meinen Körperabformungen aus transparentem Silikon
  • Lichtkarussell
    Auf Japanpapier die betenden Hände meiner Mutter (Graphitzeichnung).
    Haube aus Acryl beklebt mit Japanpapier, runde Stellfläche mit Teelichtern.
    Durch die aufsteigende Wärme setzt sich das Karussell in Bewegung.
    ca. 200 x 100cm
  • Körperabdruck
    Melkfett auf Acrylglasscheibe
    Ø 2 m auf 9 runden Acrylglassockeln, H 30 mm
  • Höllensturz
    Projektion mit Überblendung (ca. 80 Akte von mir) auf eine semitransparente Fläche im Aufstieg zum Glockenturm
    Beamer, DVD, Spiegel

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Luzia Maria Derks,

in diesen Tagen über Dinge zu sprechen, die rund sind und sich auch noch drehen und nicht mit Fussball zu tun haben, ist nachgerade schlechterdings fast unmöglich...trifft aber auf einen Teil von Luzia Maria Derks Installation unzweifelhaft zu. Die erste Erkenntnis des Tages lautet also: Nicht alles was rund ist, ist Fußball.

Doch was ist das, was wir dahinten sehen?

Eine riesige Torte – ein gigantisches Softeis, welches sich dreht! So jedenfalls klärten mich zwei Jungens auf, die sich beim Aufbau der Ausstellung in die Kirche verirrt hatten. Und genau mit dieser klaren, lustbetonten und fröhlichen Interpretation des Sichtbaren haben wir einen wesentlichen Teil der Ausstrahlung von Derks Arbeiten erfasst. Ihre Installationen bestehen den Kindertest – will sagen, sie verfügen über eine Qualität des unmittelbar Zugänglichen. Sie erlauben einen ungeführten Zugriff, einen vorbegrifflichen unverfälschten Impuls – kurz ihre Arbeit geht mit gesehener und sichtbarer Schönheit einher. Genaugenommen braucht Ihre Kunst keine Einführung und das könnte sehr elegant und leicht jetzt diese Rede überraschend beenden.

Doch künstlicher- und wie ich hoffe auch vergnüglicherweise wollen wir dem Gesehenen und Sichtbaren noch ein weiteres Kriterium hinzufügen - das des Unsichtbaren und Transzendenten. Dass Luzia Maria Derks in ihrem Namen Maria trägt, mag ein Auslöser für die hier sichtbare kühl kalkulierte Mutter mit Kind sein.

Unterhalb eines abgerundeten Bogens sehen wir vor blauem Grund Sie selbst mit Ihrem Kind. Sie setzt Luzia Maria anstelle der Maria Maria. Sie ersetzt Jesus mit ihrem eigenen Kind – stellt also sich in die direkte ikonische Folge des Glaubens. Dass ihr ästhetisches Experiment gekoppelt mit den roten Haaren noch vor nicht allzu langer Zeit nach nicht sehr langem Hexenprozess auf dem realen Scheiterhaufen der Geschichte gelandet wäre, erhält eine zusätzliche Brisanz vor dem Hintergrund der Funktion Ihres photographischen privaten Bogenschlages. Demjenigen, der ein 50 Cent Stück (hier)einwirft, wird ein elektrisches Licht aufgehen, welches den blauen Hintergrund der Luzia Maria mit Kind malerisch abwandelt und damit positiv aufbräunt - erdfarben und nährungsorange kontrastiv zum vorherigen Blauton erhitzt. Wir sehen einen Hintergrund, der sich hinter dem Leuchtkasten an der Wand wieder findet. Wir erkennen den käuflichen Chamäleon-Charakter der ikonischen Ironie. Wir kaufen keinen Platz im fernen Blau der Ewigkeit – kurz im Himmel – wir erleuchten uns einen Platz im gegenwärtigen Raum – im Jetzt. Unmittelbar und nur für eine käufliche Lichtstrecke lang. Danach erkaltet das Licht und das Blau tritt wieder zu Tage. Ein ästhetischer Ablass für einen Minutentakt ist entstanden. Formal installiert - als wäre es wie in der „Kirche von unten" und wir befänden uns in Lateinamerika fünf Fußminuten fern der Mapuche Indigenas am äußeren Rande der Missionsstation. Die Kabel sind unverputzt und auffällig vorläufig, irdisch und verraten ein positives Provisorium. Dieses Provisorium verrät eine Haltung, die nicht für die Ewigkeit gemacht ist, sondern mit irdischer Ironie und vergnüglicher Vorläufigkeit dem Zeitlosen freundlich begegnet, ohne es zu verhöhnen.

Schönheit kostet Geld und hat seine definierte Zeit. Nur der Einsatz von barer Münze lässt das Malerische der installierten ikonischen Ironie sichtbar werden.

Ausdeutungen dieser Erkenntnisse ließen sich zuhauf anschließen, führen aber auf Abwege, weil Luzia Maria Derks Installation in der abgewandelten Grabeskirche des Adelsgeschlechtes der Rombergs tatsächlich auf die letzten Dinge zukommt – führen auf Abwege, weil ihre Arbeit jenseits der Ironie auf das „Echte" selbst abhebt.

(Dazu wechseln wir den Ort)

Wir befinden uns nun in der Romberg`schen Etagengrabanlage. Die schweigsamen Gerippe hinter dem Gemäuer sind die namentlichen und noch nicht genannten Überreste der genannten Familie. Leere Räume verraten uns in etwa das zugedachte Volumen, den Raum den man auch uns dereinst zudenken wird, wenn wir das Sein verlassen und in das Nicht-Sein wechseln. Das was bleiben wird, sind schlichte Tafeln – wenn überhaupt – kurze Nennungen. Das was uns an besagtem Ort Luzia Maria Derks zeigt, sind abgegossene Körperteile, silikonable Formatierungen der vergänglichen Körperhaftigkeit. Von der Scham, über den Nabel zur schlüsselbeinnahen Schulterschlüssigkeit finden sich echte Dokumente ihrer eigenen und unserer aller körperlicher Existenz. Wieder setzt Derks sich selbst als Maß der Dinge ein und konfrontiert uns mit der prothetischen Hüllenhaftigkeit unseres Seins selbst. Es bleiben jedoch nur Teile über, Abrisse, deutbare Fragmente eines werdenen Nichtseins in der unmittelbaren Nachbarschaft der gedachten, denkbaren und realen Gerippe.

Das Echte des Gipsabdrucks in Silikon ausformuliert hängt an seidenem Faden zuvorderst der zugedachten Quadratmeter Totraumfläche... Derks inszeniert hier leichtfüßig und fast leichtfertig das Körperimi- und -silikat mit unserer unausdauernden Körperlichkeit. Das Vorläufige findet hier endgültig seinen tiefen Abgrund – seinen unauslösbaren Konflikt der Gewissheit des Todes. Und doch schwingt der mögliche Pathos dieser Inszenierung im zugigen Winde des Durchgangs der Romberg`schen Etagengrabanlage mit. Auch hier will und kann ich dem Betrachter das eigene Lösen des sichtbaren Konfliktes nicht abnehmen.

Und spätestens hier fällt auf, dass das Reden über transzendente Dinge im sakralen Raum eine gewisse Nähe zur Predigt annimmt, was mich auch dazu bewegt, sich physisch und psychisch aus dem Durchgangssyndrom dieses Grab-Raumes fortzubewegen...(nur um)...vor den betenden Händen des sich um sich selbst drehenden Lichtkarussels zu landen. Hier nahmen meine Betrachtungen den Anfang, weil dieses gigantische kindgerecht sichtbar gewordene Softeis eben mehr als dieses ist. Ein Lichtkarussel mit der Abbildung der Hände der Mutter der Luzia Maria Derks. Auch hier werden kunsthistorische Nähen und törichte Interpretationsfallen sichtbar – z.B. Vergleich betende Hände des Dürer. Für mich bleibt auch hier die Torte sichtbar, die sich dreht, nach einer Stärke, die gemessen wird an der Menge der Teelichter, deren Wärme die angelegte horizontale Windmühle in die notwendige Bewegung setzten. Eine Gebetsmühle mit einer Teelichtstärke von 27 TS setzt Sie in die Notwendigkeit Ihre Wahrnehmung an das Gesehene permanent neu anzugleichen.

Und genau an diesem Drehmoment meiner Betrachtung will ich meine Rede beenden, um Ihnen das Sichtbare und Unsichtbare nicht durch zu viel erdenkliches und erdachtes zu verbauen.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

Ruppe Koselleck

GG