GG GG

Belichtung

Steinfurter Straße, Münster, 2000

Raumbezogene Lichtinstallation in Scheune, erleuchtete Türen und Fenster, von unten beleuchteter Akt auf Bettgestell
Originalabformungen mit Japanpapier, Autostableuchten (8 Watt), Sprungfedern (Fundstück), Eisengestell, Autostableuchten (8 Watt), Vierfarbendruck

190 x 90 cm (Türen), 90 x 80 cm (Fenster), 180 x 92 x 19 cm (Bett)

Fotos: Sigi Renvert

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Luzia-Maria

dass Licht nicht nur das Bekannte erhellt, sondern auch benutzt werden kann, um Unbekanntes im Bekannten auf-scheinen zu lassen, ist ein Aspekt dieser Arbeit. Das Verfremden des Vertrauten, um mit Hilfe der geänderten Perspektive eine neue, erweiterte Sicht der Wirklichkeit zu erzielen, ist das Prinzip der modernen Kunst. Erinnert sei hier nur an die provokativen Ready-mades von Marcel Duchamp (Flaschentrockner von 1915), wo allein die demonstrative Präsentation eines Gebrauchsgegenstandes außerhalb seines gewohnten Alltagsbereiches Kunst schafft.

Im Gegensatz zu Marcel Duchamps Ready-mades, bei denen die Auswahl die hauptsächliche Leistung des Künstlers ist, werden die ausgewählten Fundstücke und Gegenstände von Luzia-Maria Derks jedoch weiter bearbeitet. Sie verzichtet nicht auf eine subjektive Formung: Fenster, Türen, Fundstücke und das Foto werden neu konzipiert. Dieses neue Konzept wird nicht unabhängig von der vorgefundenen Situation durchgesetzt: Tür- und Fensteröffnung existierten bereits, waren vorgegebene Fakten in der Scheune, sie führten weiter auf die ehemalige Tenne, die Spuren der früheren Funktion des Raumes werden nicht getilgt: in dem Boden lassen sich noch Trittspuren längst gegessener Hühner finden, an der Außenwand findet sich noch ein Trog; jetzt jedoch ist der Boden geweißt, der Trog ist leer, es ist eine Zwischenwand eingezogen, neue Räume sind entstanden: aus der Scheune, früher ein Lagerraum, ist jetzt ein Arbeitsraum geworden.

GG

Dieser neue Raum und die Fundamente und Wände der alten Scheune bilden den Rahmen für die ausgestellten Arbeiten. Die erleuchteten Türen und Fenster erinnern an die Häuserfassaden, wie man sie bei Abendspaziergängen passiert: dahinter lassen sich häusliche Geborgenheit oder auch Tristesse vermuten – denn die beruhigende indirekte Wirkung der Beleuchtung wird durch das kalte Weiß der Lichtquelle wieder gebrochen und lässt den Betrachter schwanken zwischen dem Gefühl des Angezogen- und Abgewiesenwerdens.

Entfernung und Nähe sind auch Thema der Fotos in dem kleinen Nebenraum: Auf den ersten entfernten Blick sind es nächtliche Fassaden von Häusern und Fabrikgebäuden, doch wenn man sich den Bildern nähert, zweifelt man. Die „Gebäude" auf den Fotos in dem kleinen Nebenraum sind Fundstücke: Teile von alten Kabelgehäusen, Reste von Anzuchttöpfen für Pflanzen. Auch hier ist die Arbeit mit dem Licht entscheidend, um eine neue Perspektive, eine veränderte Wirklichkeit zu schaffen – selbst wenn der aufmerksame Betrachter der Bilder den ursprünglichen Gegenstand wieder erkennen kann. Dieser Wiedererkennungseffekt stört nicht, der Reiz einer anziehenden und geheimnisvollen Atmosphäre wird nicht geschmälert. Die achtlos wegworfenen Müllteile werden von der Künstlerin benutzt, um neue „Bilderwelten" zu schaffen, deren Ästhetik auch darin liegt, die benutzten Dinge erkennbar zu lassen.

Wie die Gegenstände auf den kleinen Fotos, so ist auch die Sprungfedermatratze - die Auflagefläche des Fotos - ein Fundstück. Sie bildet zusammen mit extra angefertigem Eisenrahmen die Basis für den Mittelpunkt der Ausstellung, ein schlafender Akt. Hier fällt das Licht nicht auf die Bildoberfläche, sondern erhellt die menschliche Figur von unten, das weiße Licht kleidet und entblößt die nackte Frauengestalt gleichzeitig. Der in die Armbeuge gekuschelte Kopf vermittelt die Idee der Geborgenheit, das Fehlen der üblichen Bettrequisiten, die Nacktheit liefern sie dem Betrachter aus. Die intime Atmosphäre des Schlafes wird beleuchtet – offengelegt – doch das kalte Licht, die Schatten der Sprungfedern verfremden den Frauenkörper und schaffen Distanz.

Die Ambivalenz der Inhalte und ihre poetische Form der Gestaltung machen für mich den besonderen Reiz der Arbeiten von Luzia-Maria Derks aus.

Angelika Gehrmann

GG