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Das ist das Haus vom Nikolaus...

La Folie, Ostbevern, 2018

Zwei Filme, ca. je 1 Minute, als Endlosschleifen mit Beamern über Spiegel in Fenster projiziert
Zeichnungen mit Wunderkerzen, gefilmt und digital animiert

Zwei Fenter je ca. 6 x 6 m

Fotos: Bernd Corsmeier, Luzia-Maria Derks, Anton Houtappels

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Film: Anton Houtappels

Das ist das Haus vom Nikolaus – Wenn Licht ein Zuhause wird

Im Dezember 2018 begrüßte die ebenso verrückte wie tiefsinnige Lichtinstallation mit dem Titel „Das ist das Haus vom Nikolaus“ jeden, der in den Ort Ostbevern fuhr. An die nachtschwarzen Wände des Ausstellungskubus La Folie zeichnete Luzia Maria Derks mit einer Wunderkerze im Rhythmus dieses Sprechverses das allen bekannte Haus – einmal für den Nikolaus, und nebenan für den Weihnachtsmann. Filmisch war die von der Hand der Künstlerin geführte Wunderkerze in ihrer Bewegung festgehalten worden und lieferte uns somit in regelmäßigen Abständen sowohl die Entstehung der Zeichnung als auch dann für einen kurzen Moment das komplette Bild – bevor die Linien sich wieder im Dunkel auflösten.

Zunächst ist man vielleicht amüsiert, fühlt man sich doch an den Reim aus Kindertagen erinnert. Für die meisten mögen es positive Erinnerungen sein. Selbst wenn sie nicht unbedingt mit Weihnachten verknüpft sind, so erfüllte doch wohl jedes Kind die Bewältigung dieses Rätsels mit Stolz. Dass man das Führen des Stiftes durchaus auch mit dem Vers „Wer das nicht kann, kriegt keinen Mann“ begleitete, ist nur wenigen, vermutlich besonders in den 50-er Jahren großgewordenen Mädchen bekannt. (Dies jedoch nur am Rande, stellt doch Luzia Maria mit Ihrer kräftig ausladenden Gestik selbstbewußt unter Beweis, dass sie es kann…..)

Interessant ist die Tatsache, dass selbst hinter einem solch unscheinbaren Kinderrätsel ein mathematisches Problem steckt. Leonard Euler hat sich im 18. Jahrhundert dem „Königsberger Brückenproblem“ gestellt: Wie kann man einen Rundgang durch die Stadt machen, und dabei jede der 7 Brücken nur einmal passieren? Diese Frage führte zu einer grundlegenden Diskussion im mathematischen Bereich der Graphentheorie. Es geht um die Verbindung von Plätzen durch Brücken bzw. von Punkten durch Linien. Die Möglichkeiten sind eindeutig zu errechnen: Fakt ist – rein mathematisch – dass es 44 Möglichkeiten gibt, das Haus vom Nikolaus „richtig“ zu zeichnen, aber nur 10 „falsche“. Ich war als Kind schon ganz stolz auf die drei verschiedenen Varianten.

Hier aber haben wir es nun nicht nur mit einem Haus zu tun, sondern mit der unmittelbaren Nachbarschaft zweier Häuser und ihrer Bewohner: Nikolaus und Weihnachtsmann, eine nicht ganz konfliktfreie Konstellation. Der historische Nikolaus geht auf den Bischof Nikolaus von Myra zurück, einen mildtätigen Mann, der für seine Freigiebigkeit und Großzügigkeit bekannt war. Um ihn zu ehren, entwickelte sich in den europäischen Ländern der Brauch, Kindern am Namenstag des Nikolaus etwas zu schenken. Weil die Protestanten die Heiligenverehrung ablehnten, verschob man das Schenken dann später auf Weihnachten und ließ das Christkind die Geschenke bringen.

Der Weihnachtsmann hingegen ist in den 30er Jahren – durchaus mit Bezug auf den Hl. Nikolaus – als Marketingfigur der Firma Coca Cola entwickelt worden. Er sieht weniger wie ein Bischof aus, als vielmehr wie ein gemütlicher, bärtiger alter Mann mit roter Kleidung. Kirchliche Verbände versuchen, diese Symbolfigur des Kommerzes wieder stärker vom historischen Nikolaus abzugrenzen, hat man doch festgestellt, dass für viele (nicht nur für Kinder) zwischen den beiden kein Unterschied (mehr) besteht. Hier nun leben sie in trauter Zweisamkeit nebeneinander, Tür an Tür, in identischen Häusern aus Licht, die uns erfreuen, ganz unabhängig von ihrer Herkunft. Licht ist wohl für jeden ein Symbol für Wärme, Geborgenheit und Zuhause, für Zuversicht, Hoffnung und Freude.

Die Wunderkerze, das Instrument, mit dem die Künstlerin diese beiden Häuser „baut“ ist erstaunlicherweise tatsächlich von einem Architekten erfunden worden – und das schon im alten Griechenland etwa 670 nach Christus – allerdings zu anderen Zwecken.

Luzia Marias Arbeiten sind von ihrem ganz persönlichen Umgang mit Licht gekennzeichnet, so auch in diesem Fall. In Film (und dabei handelt es sich ja bei dieser Projektion) und Foto war Licht lange ausschließlich dazu da, das Motiv entsprechend auszuleuchten und in Szene zu setzen. Nach ersten Light-Writing Bildern um 1890 hat sich dann hat ein Maurer in Amerika sich aus arbeitsökonomischen Gründen mit den langzeitbelichteten Aufnahmen der Bewegungen von Menschen mit Lichtern an den Gliedmaßen befasst. Dass Licht als Motiv künstlerisch interessant wurde, dauerte noch bis in die 30er Jahre des 20. Jahrhunderts. Die Wunderkerze wurde schließlich erstmalig von Eric Staller in seinen „Choreographien der Nacht“ 1978 als Zeicheninstrument benutzt.

Und nun malt Luzia Maria mit dem Glitzern und Funkeln, mit dem Vergänglichen und Zauberhaften. Ihr Licht ist kraftvoll und stark, atmosphärisch und emotional. Es ist bedeutender als die Linie, die es zeichnet und brennt in uns nach, auch wenn schon alles wieder dunkel ist. Die Wiederholung stimmt hoffnungsvoll, die ausgelösten Kindheitserinnerungen machen uns im besten Falle fröhlich.

Und die unbefangene und verrückte Art der Künstlerin, mit minimalen Mitteln diese dichte und bewegende Installation zu schaffen, lässt uns staunen. Licht ist vielleicht ebenso ein Geheimnis, wie die Kunst. Es flackert auf und berührt uns, es fehlt, wenn es nicht da ist. Es hat seine eigene Zeit, seinen eigenen Charakter. Es macht unscheinbare Dinge, aber auch Raum und Zeit wertvoll, bedeutungsvoll und zauberhaft.

Vielleicht liegt es an ihrem Namen, Luzia, dass sie so gut mit Licht umgehen kann. Sie zieht das Licht an und zeigt uns seine Bedeutung in immer wieder neuen, künstlerischen Zusammenhängen. Mit ihrem „Haus vom Nikolaus“ hat sie uns die dunkle Winterzeit etwas fröhlicher und funkelnder gemacht. Und Fragen aufgeworfen, die uns im Folgejahr vielleicht bereichernd beschäftigen mögen...

Dr. Annette Georgi

Fotograf: Stanislaus Müller-Härlin

Kornhaus, Gmünder Kunstverein, 2020

Nächtliche Videoprojektionen während der Galerieschließung

IMMER WENN ES DUNKEL WIRD

Die aktuelle Entwicklung hat auch den Kunstverein Schwäbisch Gmünd gezwungen, seine Türen zu schließen, geplante Ausstellungen wurden abgesagt. Aber wir geben nicht klein bei! Unter dem Titel immer wenn es dunkel wird werden für die nächsten Wochen die Türen des Kunstvereins als Projektionsflächen genutzt. Mit Einbruch der Dunkelheit werden dort künstlerische Positionen gezeigt, die dem Kunstverein zugeschickt werden und Bezug nehmen auf den Titel der Ausstellung.

Dafür hat der Gmünder Kunstverein eine deutschlandweite Ausschreibung initiiert. Die Arbeiten werden trotz Ausgangsbeschränkungen bis in die Nacht gezeigt. Die Kunst ist präsent, auch wenn sie nur zu bestimmten Zeiten erlebt werden kann.

In der wachsenden Mischung, deren Zusammenstellung sich stetig ändert und nicht im Vorhinein planbar ist, sehen die Ausstellungsmacher eine der aktuellen Situation angemessene und die Neugier und Aufmerksamkeit hervorrufende Form, eine originelle und aktive Antwort auf die herausfordernde Situation und eine Möglichkeit, Künstler und Kunst im Bewusstsein zu halten.

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